Compa II: Schwedische Fotografie in Brasilien

 

Compa steht für «Comparison». Wir stellen Vergleiche zwischen unterschiedlichen Kunstwerken und Künstlern her. Zeitgenössische Kunstschaffende werden mit den historischen, bekannten Künstlern verglichen.Dabei geht es nicht nicht um eine Wertung, sondern um eine beschreibende Gegenüberstellung von zeitgenössischen Arbeiten und historisch, bekannten Kunstwerken. Durch diese Serie sollen konzeptionelle Ausdrucksformen beleuchtet werden und eine mögliche Betrachtungsweise für Kunst fördern.

 

Gerty, Christer Strömholm, Hamburg, Germany, 1962

 

Steckbrief:

 

Vergleich von fotografischen Konzepten: Die Fotografie mit einem humanistischen, persönlichen Ansatz im schwedischen Sinne.

-Christer Strömholm (Fotograf) Arbeit: Les Amies de Place Blanch

-Alice Bayer (Trends and Identity Studentin ZHDK) Arbeit: IGUABA GRANDE Serie

 

Christer Strömholm

“I am myself”

“This is a book about insecurity…. This is a book about the quest for self-identity, about the right to live, about the right to own and control one’s own body,” beschreibt Christer Strömholm seine Fotografien in seiner Publikation “Les Amies de Place Blanche”. Das Buch beinhaltet Fotografien von Transgenders, welche er 1959 hauptsächlich in Paris machte. Die Fotografien entstanden sehr spontan, während Strömholm mit den Frauen zusammenlebte. Er versuchte dabei die Menschen so intim und gefühlsvoll wie möglich abzuleuchten, um die schwierigen Lebensumstände der Transgender Frauen zu dieser Zeit darzustellen.

Schwedische Tradition

 

Strömholm arbeitete und lebte in denselben Hotels, wo die Transgender Frauen lebten. Viele der abgeleuchteten Frauen arbeiteten als «Sex Workers» oder traten in Kabaretts auf. Die Fotografien sollten nicht nur die schwierigen Lebensumstände der Frauen darstellen. Es ging ihm vor allem darum, eine parallele Welt zu zeigen, zu welcher die meisten Menschen keinen Zugang hatten und für die ein gewisses Verständnis fehlte. Er beschrieb es als eine Welt aus Schatten, Einsamkeit, Ängste, Hoffnungslosigkeit und Entfremdung. Trotz diesen Umständen wollte Strömholm durch seine Fotografien die Selbstbestimmung, die Stärke und das Recht, Frau über sein eigenes Leben zu sein, festhalten. Christers Strömholm's Arbeit war eine der ersten Fotoarbeiten über Transgender, welche die Frauen nicht in einer lächerlichen oder unterhaltenden Art und Weise darstellte, sondern auf einer ehrlichen und humanistischen Ebene.

 

Die Paralellen

 

Die Arbeiten von Strömholm werden heute als sozialdokumentarisch, humanistische Fotografien bezeichnet und als repräsentativ für die schwedische Fotografie betrachtet. Doch warum?

Das aktive Leben in einem darzustellenden Kontext nimmt in der Arbeit eine sehr zentrale Rolle ein.

Dadurch, dass Strömholm die Personen und ihr Leben so gut kennenlernen durfte konnten erst solch ausdrucksstarke, gefühlvolle Fotografien entstehen. Der Fokus liegt dabei auf dem Menschen und seinem Umfeld. Der Effekt wurde dadurch verstärkt,  dass er die Fotografien immer spontan machte, in einem Kontext in dem sich die Modelle zuhause fühlten. Dieses Zusammenleben nahm bei Ströholm einen solches Ausmass an, dass sein Sohn die Transgender Community in Paris als seine zweite Familie bezeichnete.

Diese Interpretation der Rolle des Fotografen von Strömholm nimmt in den zahlreichen, weiteren schwedischen, sozialdokumentarischen Arbeiten eine wichtige Position ein.

Christer Strömholm und Sue Jonsson gehören dabei zu den wichtigsten Vertretern dieses Genre.

Alice Bayer verfolgt ebenfalls den Ansatz des «Aktiven Leben» in der Arbeit "Iguaba Grande". Wie auch Strömholm arbeitete und lebte sie für einige Wochen in Brasilien. Ihr Fokus lag dabei auf der Gegenüberstellung von dem Leben in Armut (in den Favelas) und dem Leben auf dem Land.

 

Alice Bayer

 

Suche nach Wurzeln

 

Für Alice Bayer, mit brasilianischen Wurzeln in der Schweiz aufgewachsen, war das Auseinandersetzen mit dem Land Brasilien ein zentraler Aspekt ihrer Arbeit «Rio». Mit dieser Arbeit, welche im Propädeutikum als Abschlussarbeit präsentiert wurde, näherte sich Alice Bayer dem noch unbekannten Teil von Brasilien an: den Favelas. Durch die Auseinandersetzung mit dem Leben einer brasilianischen Familie setzte sie sich mit dem Leben in den Favelas auseinander. Die Familie durchlebte einen Transit von den Favelas auf das Land aus Angst vor Gangs und Polizeigewalt. Dieser Kontrast wird in der Arbeit durch eine Gegenüberstellung von sozialdokumentarischen Fotografien von beiden Orten erreicht.  

Schwedische Fotografie in Brasilien

 

«Der Ort lebte. Eine familiäre und freundliche Atmosphäre umgab mich», beschreibt Bayer ihren Aufenthalt in den Favelas. Dieser Teil von Brasilien war für die Fotografin unbekannt und beinahe ein Tabu. Nach eigener Aussage lieferte es ihr eine neue Perspektive von Gut und Böse und zeigte ihr einen neuen Aspekt ihres Herkunftslandes Brasilien.

 

Picture out of IGUABA GRANDE Serie, 2019, Alice Bayer

 

Bayer tauchte dabei wie Strömholm ebenfalls in das Leben der Familie Goncalves ein und nimmt mit ihren Fotografien eine «Beobachtende und Lernende» Position ein. Der Grund für den Umzug der Familie Goncalves war, dass die Chancen auf dem Land geringer waren und, dass ihr 12-jähriger Sohn mit Gangaktivitäten in Kontakt kommt. Mit dieser Gefahr wurde Bayer in ihrer Zeit in der Favela ebenfalls konfrontiert. Zwei Jugendliche, mit denen sie während ihrer Fotoarbeit interagiert hatte wurden kurz darauf in einem Schusswechsel getötet. Dieses Ereignis zeigten erneut die Gefahren an diesem Ort, trotz dessen, beschrieb Bayer den Ort als einen Ort voller Leben, Leichtigkeit und als eine riesen Party. Die Gewalt nimmt dabei eine Zentrale aber keine offensichtliche Rolle ein.

Der Ansatz der humanistischen, persönlichen Vorgehensweise kann auch an Alice Bayers Arbeit betrachtet werden. Wie Strömholm verbrachte sie auch Zeit in der Umgebung, welche sie fotografisch festgehalten hat und setzte sich mit den Personen und deren Geschichten auseinander. Aufgrund dessen verfolgt die Konzeption der Arbeit von Brasilien einen ähnlichen Ansatz wie die schwedische Tradition.

 

Nicht das Gleiche

 

Man könnte als Grundkonzeption beider Arbeiten das «aktiven Leben in der Umgebung mit dem Darzustellenden» hervorheben. Bei beiden Arbeiten steht das Kennenlernen der Umgebung und der Personen im Vordergrund. Aufgrund dessen konnten bei beiden Arbeiten solch Ausdruckstarke Fotografien entstehen. Ähnlich gingen schon die Hofmaler der Könige im Aristokratenzeitalter vor. Sie lebten mit den Königen zusammen und lernten sie kennen, aufgrund dessen sagte man, waren sie fähig, die Essenz der Persönlichkeit festzuhalten.

 

Picture out of PARQUE ALEGRIA Serie, 2019, Alice Bayer

Trotz desselben Grundkonzepts unterscheiden sich jedoch beide Arbeite. Bei Betrachtung Strömholms Fotografien fällt auf, dass der Mensch im absoluten Fokus steht. Die Umgebung nimmt in einigen wenigen Fotografien einen wichtigen Stellenwert ein. Dies unterstützt ebenfalls die Aussage, dass Strömholm versuchte über die Transgender Personen als Menschen zu kommunizieren.

Die Fotografien von Bayer, nehmen sie eine distanziertere Perspektive als Strömholms Fotografien ein. Diese Darstellungsweise unterstütz jedoch die Konzeption von ihr, dass Land an sich zu untersuchen. Die Menschen tauchen darin ebenfalls auf, jedoch aus einer distanzierteren «Beobachtenden» Perspektive.

 

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